Reduzierung der Auswirkungen chemischer Pestizide nur durch verstärkte Maßnahmen der EU möglich
31.10.2023
✔️Europäische Umweltagentur: Verschmutzung durch Pestizide stellt erhebliches Gesundheitsrisiko dar
✔️mehr Maßnahmen zur Verringerung chemischer Pestizide um 50 Prozent bis 2030 nötig
✔️Wandel zu alternativen Konzepten der Landwirtschaft wichtig
✔️Kritik: Vorschläge des Umweltausschusses der EU sind „reine Kosmetik“
Sowohl die Deutsche Umwelthilfe (DUH) als auch die Aurelia-Stiftung und foodwatch kritisieren die Vorschläge des EU-Umweltausschusses zur Reduzierung chemischer Pestizide als „reine Kosmetik“. Sie seien „nicht ambitioniert“ genug und würden sich nicht ausreichend gegen die bisherigen schwachen Vorschläge wenden. Agrar- und Chemielobby betrieben eine „Verwässerung“ dieser Vorschläge.
Der EU-Ausschuss stimmte kürzlich für eine Reduzierung der als besonders schädlich eingestuften Pestizide um 65 Prozent bis 2030. Die Zulassung dieser als „Substitutionskandidaten“ bezeichneten Pestizide läuft aber bereits vor 2030 ab, viele von ihnen sind danach nicht mehr zulassungsfähig. Sie fallen aus einer möglichen Verwendung heraus, die Ausweitung von Verboten über diese Substitutionskandidaten hinaus ist nicht vorgesehen. Der Deutsche Bauernverband sprach von einem faktischen „Aus für die konventionelle Landwirtschaft“, wenn weitere Pestizide verboten werden würden, was seitens der eingangs genannten Organisationen vehement bestritten wird. Dazu äußerte sich Matthias Wolfschmidt, Vorstand der Aurelia-Stiftung:
„[…] Am konsequenten Ausstieg aus der Pestizidwirtschaft führt kein Weg vorbei, wenn wir auch in Zukunft noch fruchtbare Böden, sauberes Wasser und eine für die Stabilität aller Ökosysteme und unserer Nahrungsversorgung notwendige Artenvielfalt haben wollen. Laut EU-Kommission ist in der EU bereits ein Drittel der bestäubenden Insekten vom Aussterben bedroht, weshalb auf der Hälfte der EU-Agrarflächen ein Bestäubermangel droht. Die nach wie vor mit massivem Einsatz von Pestiziden und Düngemitteln in ausgeräumten Mono- und Reinkulturen betriebene Intensivlandwirtschaft ist eine der Hauptursachen von Artensterben und Habitatverlusten.“
Auch Jörg Rohwedder, Geschäftsführer von foodwatch International äußerte sich zu dem Sachverhalt:
„Eine pestizidfreie Getreideproduktion würde den Einsatz von Ackergiften in Deutschland schlagartig um ungefähr die Hälfte reduzieren – das wäre wesentlich zielführender als der Ansatz der EU. Die großen Supermarkt-Ketten von Rewe bis Aldi haben die Marktmacht, diese Veränderung anzustoßen, indem sie nur noch pestizidfreies Brot, Haferflocken und Co. verkaufen.“
Die Europäische Kommission hatte bereits 2020 ihre Strategie „Vom Hof auf den Tisch“ veröffentlicht und dabei zwei Ziele zur Minderung des Pestizideinsatzes genannt:
- Reduzierung des Einsatzes und der Risiken chemischer Pestizide um 50 Prozent
- Reduzierung des Einsatzes gefährlicher Pestizide um 50 Prozent
Diese Strategie gehört als wesentlicher Bestandteil zum Europäischen Green Deal und soll dazu beitragen, die europäischen Ernährungssysteme fair, gesund und nachhaltig werden zu lassen. Um das zu erreichen, sind die politischen Entscheidungsträger der EU sowie die Mitgliedsstaaten gefordert, mehr Maßnahmen zu ergreifen. Unter anderem hat die Europäische Kommission eine neue Verordnung über den Pestizideinsatz vorgeschlagen, nach der die Länder nationale Reduktionsziele festlegen sollten. Weitere Maßnahmen wären demnach:
- stärkere Verwendung umweltfreundlicher Systeme zur Schädlingsbekämpfung
- Einschränkung des Pestizideinsatzes in sensiblen Gebieten
- Schulung beruflicher Verwender von Pestiziden
- Förderung des Übergangs zu ökologischer/biologischer Landwirtschaft
- Besteuerung gefährlichster Pestizide
Bisher sind diese Ziele jedoch reine Vorschläge, die nicht verbindlich festgelegt wurden.