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Dämmwolle Schadstoffe: Ist Mineralwolle so giftig wie Asbest?
Künstliche Mineralwolle (KMF) ist nach dem Verbot von Asbest das häufigste Isoliermaterial für Gebäude und den Hochtemperaturbereich. Aber wie viel sicherer als ihr berüchtigter Vorgänger ist sie wirklich?
Das Einatmen von Fasern aus Dämmstoffen kann zu verschiedenen Gesundheitsrisiken führen, die von leichten Reizungen bis hin zu schweren Atemwegserkrankungen und Krebs reichen. Welche Isoliermaterialien risikoärmer sind und wie Sie sie richtig handhaben, erfahren Sie im folgenden Artikel.
Was ist Künstliche Mineralwolle (KMF=Künstliche Mineralfasern)?
Mineralwolle ist ein künstlich hergestelltes, faseriges Material aus Glas, Stein oder Schlacke. Künstliche Mineralfasern werden aus natürlichen und synthetischen Rohmineralien hergestellt. Die wichtigsten Produktgruppen sind Mineralwolle, Glaswolle, feuerfeste keramische Fasern und (poly-)kristalline Fasern. Der Hauptanwendungsbereich ist die Wärmedämmung.
Bei allen Mineralwollen sorgt die Faserstruktur für wichtige mechanische Eigenschaften wie Flexibilität, eine hohe Widerstandsfähigkeit und eine hohe Temperaturbeständigkeit. Sie sind außerdem resistent gegen Feuchtigkeit, Mikroorganismen und chemische Stoffe.
Andererseits kann die Faserstruktur zu spezifischen Gesundheitsgefahren für den Menschen führen. Die krebserregenden Eigenschaften der bekannten natürlichen Mineralfaser Asbest sind das warnende Beispiel.
Vorgängermaterial Asbest
Der Vorgänger der Dämmwolle war das inzwischen verbotene Asbest. Asbestfasern können das Risiko mehrerer schwerer Krankheiten erhöhen, wenn sie eingeatmet werden, darunter Asbestose und Lungenkrebs. 1993 wurde Asbest schließlich in Deutschland verboten und Mineralwolle wurde das vorherrschende Dämmmaterial.
Im selben Jahr des Asbestverbots in Deutschland befasste sich eine dänische Studie mit den Gesundheitsrisiken durch die modernere Isolierwolle. Laut der Studie Lung Function in Insulation Workers sind die Raten chronischer und akuter Bronchitis bei Personen, die täglich mit Dämmstoffen arbeiten, 3-4 Mal höher als bei Busfahrerinnen und Busfahrern.
Auch eine Abnahme der Vitalkapazität - ein Indikator für die Lungengesundheit - sowie die Zunahme von Lungeninfektionen wurden bei den Isolierarbeiterinnen und -arbeitern festgestellt.
WHO-Faser: Wann ist eine Faser krebserregend?
Mineralwollen können ein Risiko für die menschliche Gesundheit bergen, wenn bei der Herstellung und Handhabung lungengängige Fasern freigesetzt werden. Die toxische Wirkung von Fasern jeglicher Art wird im 3D-Prinzip beschrieben. Die drei D’s sind:
- Dosis
- Dimension
- Dauerhaftigkeit (vgl. Mechanisms of mesothelioma induction with asbestos and fibrous glass)
Fasern sind lange und schlanke Partikel, die ab einem Durchmesser unter 3 µm klein genug sind, um in die Lungenbläschen zu gelangen und ab einer Länge von mehr als 5 µm lang genug sind, ihre schädliche Wirkung zu entfalten (vgl. Man-made Vitreous Fibres).
Aus toxikologischer Sicht ist die Biolöslichkeit - die Zeit, die die Fasern brauchen, um sich in biologischen Medien aufzulösen - von großer Bedeutung (vgl. WHO air quality guidelines for Europe, Determinants of the pathogenicity of man-made vitreous fibers). Je länger die Faser in der Lunge verbleibt, desto potenter ist sie. Erfüllt eine Faser die von der WHO beschriebenen Voraussetzungen zur Karzinogenität, wird sie auch WHO-Faser genannt:
Eine besondere Rolle spielen […] Fasern, die eine Länge von > 5 µm, einen Durchmesser < 3 µm haben und ein Länge-Durchmesser-Verhältnis von 3:1 überschreiten, da nur sie in die tieferen Atemwege vordringen können. Fasern dieser Geometrie werden auch als WHO-Faser bezeichnet.
Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung e.V. (DGUV): Fasern, 2023
Wenn Fasern lungengängig und ausreichend biopersistent sind, sind sie unabhängig von ihrer chemischen Zusammensetzung krebserregend.
In Deutschland wurde eine Halbwertszeit von mehr als 40 Tagen vom Ausschuss für Gefahrstoffe als Grenzwert für die Anwendung zusätzlicher Kontrollen am Arbeitsplatz festgelegt (vgl. IFA Report 1/2019: Grenzwerteliste 2019).
Der oxidative Stress, der dadurch entsteht, dass die Makrophagen nicht in der Lage sind, die Fasern aufzulösen, führt zu chronischen Entzündungen und dann langfristig möglicherweise zur Tumorbildung (vgl. Man-made Vitreous Fibres).
Gesundheitsrisiken bei Mineralwolle, Glaswolle und Keramikwolle
Mineralwolle
Mineralwollen bestehen typischerweise aus Alkalien, Erdalkalien und Silikaten. Sie werden hauptsächlich für die Dämmung von Gebäuden verwendet und sind damit die Isolierwolle, mit der Sie im Alltag am wahrscheinlichsten in Kontakt kommen. Sie muss an Arbeitsplätzen gemäß der EU-Richtlinie 2004/37/EG gehandhabt werden.
Seit dem Jahr 2000 sind die meisten handelsüblichen Glas- und Mineralwollen in der EU als risikoarm gekennzeichnet, z. B. durch das RAL-Gütezeichen, das von einem Verband der Mineralwollehersteller vergeben wird (TRGS 521, Februar 2008). Das RAL-Gütezeichen zeigt an, dass die Faserlänge, Biolöslichkeit und Kanzerogenität einen sicheren Gebrauch garantieren.
Risiko: Es gibt immernoch eine beträchtliche Menge an biopersistenter Wolle, die zusätzliche Vorkehrungen zur Gewährleistung der Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten im Baugewerbe und bei der Nutzung von Gebäuden und Anlagen erforderlich macht. Mineralwolle wird in der Regulation No 1272/2008 of the European Parliament and of the Council on classification, labelling and packaging of substances and mixtures (CLP) als Carc. 2; H351 - verdächtig, Krebs zu erzeugen.
Regelung: In Deutschland ist die Herstellung, das Inverkehrbringen und die Verwendung biobeständiger Mineralwolle seit Juni 2000 verboten (vgl. Umweltbundesamt: Factsheet Mineralwolle). Da alle großen Hersteller infolge des deutschen Verbots auf biolösliche Fasern umgestellt haben, kann davon ausgegangen werden, dass neu in Verkehr gebrachte Mineralwolle in der Regel biolöslich ist.
Glaswolle
Glaswollen sind hauptsächlich glasartige Calcium- und Magnesiumsilikatwollen, die gegebenenfalls Zirkoniumdioxid, Titandioxid, Aluminiumoxid und Spuren anderer Oxide enthält. Sie werden hauptsächlich im Hochbau und selten zur Isolierung bei hohen Temperaturen zwischen 800 und 1250 °C verwendet.
Risiko: Alte Glasfasern waren aufgrund ihrer geometrischen Eigenschaften und ihrer Bruchfestigkeit lungengängig. Seit im Jahr 2000 die Herstellung und Verwendung lungengängiger Fasern verboten wurde, sind Glaswollen grundsätzlich sicher einzusetzen. Gemäß TRGS 558 sind auch Faserstäube aus AES-Wollen (Erdalkalisilikatwollen), sog. Hochtemperaturglaswollen (HTGW), nicht als krebserregend eingestuft.
Regelung: Alte Glaswollen werden in der CLP als Carc. 2; H351 - Verdacht auf krebserzeugende Wirkung - eingestuft und es müssen entsprechende Maßnahmen zur Prävention am Arbeitsplatz getroffen werden. Neue Glaswollen (nach 2000) sind dagegen i. d. R. unbedenklich.
Keramikwolle
Keramikfasern sind glasartige Zirkonium- oder Aluminiumsilikatwolle mit einem deutlich niedrigeren (Erd-)Alkaligehalt als bei Glasfasern. Sie werden zu Isolierzwecken in einem Temperaturbereich von 1200 °C bis etwa 1500 °C eingesetzt.
Risiko: Aufgrund ihrer geringen Größe und Brüchigkeit gelten sie als besonders gefährlich bezüglich ihrer krebserregenden Wirkung.
Regelung: Keramikwollen sind in Anhang VI der CLP-Verordnung aufgeführt als Carc. 1B; H350i - kann bei Einatmen Krebs erzeugen. Sie werden mit entsprechend scharfen Sicherheitsvorkehrungen verwendet.
Falsche Hersteller-Claims: Trotzdem Schadstoffe in Dämmwolle
Obwohl Mineralwolle in der EU kontrolliert wird und mit entsprechenden Sicherheitsvorkehrungen risikoarm zu verwenden ist, ist bei manchen Hersteller-Claims Vorsicht geboten. Dabei wird häufig auf eine Studie Bezug genommen, deren Ergebnisse verzerrt dargestellt werden.
Die International Agency for Research on Cancer (IARC) hat im Oktober 2002 die Karzinogenität von künstlichen Mineralfasern überprüft. Sie kam zu dem Schluss, dass nur die biopersistenteren Materialien von der IARC weiterhin als "möglicherweise krebserregend für den Menschen" eingestuft werden.
Im Gegensatz dazu gelten die häufiger verwendete Glasfaserwollen, einschließlich Isolierglaswolle, Steinwolle und Schlackenwolle, als "nicht klassifizierbar hinsichtlich der Karzinogenität beim Menschen" (IARC: Man-made Vitreuos Fibres).
Einige Hersteller von Dämmstoffen haben diese Studie zitiert und dabei fälschlicherweise behauptet, dass IARC-Wissenschaftler die Sicherheit von Mineralwolle-Dämmstoffen bestätigen (vgl. ROCKWOOL: Stone wool insulation is not related to any health issues, EURISOL: IARC confirms safety of mineral wool insulation).
Diese Behauptungen sind falsch. Die Ergebnisse sind keine Feststellung der Nicht-Kanzerogenität oder der allgemeinen Sicherheit. Sie sagen nur aus, dass die Studie nicht feststellen konnte, ob diese Mineralwolle Krebs verursacht oder nicht. Schließlich wurde auch Asbest lange für unbedenklich gehalten.
Flüchtige Organische Verbindungen (VOCs) in Dämmwolle
Eine der historischen Tücken von Mineralwollematten ist, dass sie in der Regel ein Bindemittel enthalten, das die Fasern zusammenhält. Diese chemischen Bindemittel enthielten in der Vergangenheit flüchtige organische Verbindungen wie Formaldehyd oder Phenolformaldehydharze (vgl. Occupational risk resulting from exposure to mineral wool when installing insulation in buildings).
Die Ausgasung solcher flüchtigen Verbindungen ist für jeden, der das Produkt installiert, gefährlich und wirkt sich negativ auf die Raumluftqualität der Hausbesitzer aus.
In den letzten Jahren sind die VOCs weniger problematisch geworden, da man allgemein dazu übergegangen ist, VOC-arme oder -freie Bindemittel zu verwenden, um diese Gefahren zu verringern. Leider sind sie immer noch vorhanden, so dass Sie bei der Auswahl Ihrer Mineralwolle aufpassen müssen (vgl. Low Formaldehyde Binders for Mineral Wool Insulation: A Review).
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Weniger gefährlich: Von biopersistenten zu biolöslichen Mineralwollen
Tierstudien zeigen, dass Fasern, die aus handelsüblichen Mineralwollen freigesetzt werden, ein erhebliches karzinogenes Potenzial aufweisen (vgl. Tumoren der Ratte nach i.p.-Injektion faserförmiger Stäube). In den 1980er Jahren wurde die erste biolösliche Glaswolle entwickelt. Es dauerte jedoch mehr als zehn Jahre, bis ein großer Hersteller eine kommerzielle Mineralwolle auf den Markt brachte, die den Kriterien für biolösliche Fasern entsprach (vgl. TRGS 905 Verzeichnis krebserzeugender, keimzellmutagener oder reproduktionstoxischer Stoffe).
Der Verbraucher kann die sicheren Produkte an dem RAL-Gütezeichen erkennen. Heute kann davon ausgegangen werden, dass in der EU biolösliche Produkte die unsicheren Mineralwollen im Baugewerbe weitgehend ersetzt haben (vgl. WHO air quality guidelines for Europe, Determinants of the pathogenicity of man-made vitreous fibers), während die älteren eingebauten Mineralwollen immer noch ein Risiko für den Arbeitsschutz darstellen.
Sicherer Umgang mit neuer und alter Isolierwolle
Wenn Sie mit KMF-Wolle arbeiten oder Arbeiten mit Isolierwolle an Ihremihrem Haus vorgenommen werden, können Sie mit einigen Sicherheitsvorkehrungen für ein sichereres Umfeld sorgen. Die BerufsgenossenschaftBerfusgenossenschaft der Bauwirtschaft gibt in ihrer Broschüre Umgang mit Mineralwolle-Dämmstoffen grundlegende Anweisungen.
- Schutzkleidung: Bei der Handhabung und Installation der Dämmmaterialien sollten eine Staubmaske und Handschuhe sowie Bekleidung zum Schutz der Haut getragen werden.
- Vorgeschnittene Matten: Das Schneiden der Isoliermatten verursacht viel Staub. Deswegen sind vorgeschnittene Matten zu bevorzugen. Sollten die Matten doch erst vor Ort zerkleinert werden, so sollte dies ohne motorisiertes Werkzeug, sondern mit Messer oder Schere durchgeführt werden.
- Wenig Dreck: Verpackte Matten sollten erst am Arbeitsplatz ausgepackt werden. Abfälle sollten noch am Arbeitsplatz in Plastiktüten oder Gefäßen verpackt werden, sodass der Staub möglichst konzentriert bleibt.
- Reinigung: Reinigen Sie den Arbeitsplatz nach dem Anbringen der Wolle gründlich mit Wasser. Wischen Sie auch Böden und Oberflächen umliegender Räume.
- Waschen: Nach Arbeiten mit Isolierwollen sollten Sie sich und Ihre Kleidung gründlich waschen, um Staubreste auf Textilien, Haut und Haar loszuwerden.
- Alte Isolierwolle: Falls Sie mit alter Isolierwolle zu tun haben, die seit 2000 nicht mehr vertrieben wird, sollten Sie diese von Fachleuten demontieren lassen. Je nach Kategorie müssen dabei auch Industriesauger und anderes schweres Gerät eingesetzt werden.
- Abdecken: Grundlegend sollten Isoliermaterialien nicht offen verbaut werden. Freiliegende Mineralwolle sollte abgedeckt werden. Eingebaut in die Wände können STaub und Fasern nicht mehr in die Atemluft gelangen.
- Gütesiegel RAL: Das von der Gütegemeinschaft Mineralwolle vergebene Gütezeichen RAL kennzeichnet Mineralwollen, deren Fasern ein niedriges Risiko krebserregender Wirkung haben.
- Wann sollte Sie eine Ärztin oder einen Arzt aufsuchen? Wenn Sie den Verdacht haben, dass Sie über einen längeren Zeitraum alte Isolierfasern eingeatmet haben, etwa weil die Fasern auf dem Dachboden freilegen, sollten Sie so schnell wie möglich medizinischen Rat einholen. Eine frühzeitige Diagnose und Behandlung kann dazu beitragen, das Risiko langfristiger Gesundheitsprobleme zu minimieren.
Wussten Sie…?
Künstliche Mineralwolle, einschließlich Glas-, Stein- und Schlackenvarianten, sind in Europa die am häufigsten verwendete Klasse von Dämmstoffen und machen mengenmäßig mehr als 50 % des Gesamtmarktes aus (vgl. Low Formaldehyde Binders for Mineral Wool Insulation: A Review).