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Schadstoffe in Kunststoffspielzeug: Welche Chemikalien sind besonders gefährlich und in welchen Spielzeugen sind diese enthalten?
Allgemeines
Schadstoffe in Kunststoffspielzeug können eine ernsthafte Gesundheitsgefahr für Kinder darstellen. So dünsten einige Chemikalien aus dem Kunststoff in die Raumluft aus, während andere über Hautkontakt in den Körper gelangen. Für einzelne Schadstoffe existieren Grenzwerte, die aber von den Herstellern nicht immer eingehalten werden. In einer Studie wurden in Plastikspielzeug 419 verschiedene Chemikalien identifiziert, von denen 126 potenziell gesundheitsschädlich sind.1 In einer weiteren Untersuchung betrug der Anteil von Kunststoffspielzeug mit enthaltenen gesundheitsgefährdenden Stoffen ganze 84 %.2
Welche konkreten Gesundheitsrisiken durch Kunststoffspielzeug drohen, hängt von der aufgenommenen Schadstoffmenge und dem Schadstoff ab. So wirken sich zum Beispiel Weichmacher wie Phthalate und die Chemikalie Bisphenol A negativ auf das Hormonsystem aus. Vielen Spielzeugen aus Kunststoff werden Flammschutzmittel zugesetzt, die teilweise als krebserregend gelten. Problematisch in Plastikspielzeugen ist auch der Mix verschiedenster Chemikalien, die teilweise miteinander reagieren können. Die aus diesen Reaktionen hervorgehenden Gesundheitsrisiken sind vielfach noch gar nicht erforscht.3 Hinzu kommt, dass die Körper von Kleinkindern und Kindern oft viel sensibler auf Schadstoffe reagieren, als es bei Erwachsenen der Fall ist. Für Erwachsene angesetzte Schadstoffe-Grenzwerte sind daher mitunter deutlich zu hoch.4
Entwicklung
Die Entwicklung von Kunststoffen begann ca. 1860 und erste Kunststoffspielzeuge wurden etwa ab 1936 verkauft.5 Andere Quellen datieren die Markteinführung sogar bereits auf das Jahr 1890.6 Spielzeug aus stabilem Hartplastik verbreitete sich ab den 1970er Jahren. Im Jahr 2021 bestanden etwa 80 % aller Spielwaren in Deutschland aus Plastik. Inzwischen forschen viele Spielzeughersteller an nachhaltigen Alternativen zu Kunststoffspielzeug. Das Interesse der Kunden an diesen meist höherpreisigen Produkten war aber zumindest bis zum Jahr 2021 noch relativ gering.7
Gesundheitsrisiken Kunststoffspielzeug: einzelne Kunst- und Schadstoffe mit besonderem Risikopotenzial
Wie wir bereits erwähnt haben, ist die Bandbreite an möglichen Schadstoffen in Kunststoffspielzeug selbst für Experten kaum zu überschauen. Deshalb beschränken wir uns in der nachfolgenden Übersicht auf die am häufigsten verwendeten Kunststoffe und die oft in diesen enthaltenen Schadstoffe. Aus welchem Kunststoff Spielzeug hergestellt ist, wird von den Herstellern nicht immer klar kommuniziert. Vielfach sind auf den Spielzeugen aber Kürzel in Form eines Dreiecks mit einem Recyclingcode und einer unter dem Dreieck befindlichen Abkürzung für den jeweiligen Kunststoff angegeben. Das PDF-Dokument der Verbraucherzentrale „Kunststoffe erkennen und bewerten“ bietet hierzu eine gute Übersicht.
💡PVC (Polyvinylchlorid) zählt zu den am häufigsten produzierten Kunststoffen. Schon bei der Herstellung wird giftiges Chlor benötigt. Normalerweise ist PVC wenig elastisch und spröde. Deshalb werden PVC oft gesundheitsschädliche Weichmacher Um PVC vor der Einwirkung von UV-Strahlung zu schützen, kommen zudem manchmal schwermetallhaltige UV-Stabilisatoren zum Einsatz.3 Schwermetalle können die verschiedensten Gesundheitsschäden verursachen. Für Kleinkinder besteht zum Beispiel durch Blei ein erhöhtes Gesundheitsrisiko, da das Schwermetall bei diesen besonders schnell das Nervensystem angreift und so unter anderem zu einer verminderten Intelligenz führen kann.8
💡Polycarbonat (PC) ist ein harter stabiler Kunststoff, der auch zur Herstellung von Spielzeug verwendet wird. Für die Produktion von PC wird Bisphenol A (BPA) benötigt. BPA gilt als endokriner Disruptor. Diese Stoffe haben schädliche Wirkungen auf das Hormonsystem. Konkret wirkt sich Bisphenol A auch reproduktionstoxisch aus. Die Chemikalie kann also die Sexualfunktion und Fruchtbarkeit negativ beeinflussen sowie schädigend auf Nachkommen (fruchtschädigend) wirken. Die Aufnahme von BPA ist neben der Nahrung ebenso über Staub, die Luft, Hautkontakt und das Trinkwasser möglich.9 Über die Risiken von BPA im Wasser informiert unser Ratgeber „BPA im Leitungswasser“.
💡Flammschutzmittel werden Kunststoffen zugesetzt, um deren Entflammbarkeit zu mindern. Die Chemikalien kommen beispielsweise in Elektrospielzeug wie Rennbahnen und Elektroautos aber auch in einigen Kuscheltieren und Stoffspielzeugen zum Einsatz. Häufig werden bromierte Flammschutzmittel wie polybromierte Diphenylether (PBDE) und Tetrabrombisphenol A (TBBA) eingesetzt. Flammschutzmittel können sich unter anderem negativ auf das menschliche Hormonsystem auswirken und so zum Beispiel die kindliche Entwicklung stören. In einer Studie konnten im Blut von Kindern insgesamt 17 verschiedene Flammschutzmittel nachgewiesen werden.10 Einige Flammschutzmittel reichern sich in Fettgewebe, Organen und Blut an. Flammschutzmittel gehen teilweise in die Raumluft über und gelangen so über die Atemwege in den Körper. Weitere Aufnahmewege sind kontaminierter Hausstaub, ein orale Aufnahme sowie Hautkontakt.11
💡Weichmacher/Phthalate werden ganz überwiegend eingesetzt, um den Kunststoff PVC weicher bzw. elastisch zu machen. Die Bindung von Weichmachern an PVC ist nicht besonders stark, sodass diese relativ leicht wieder freigesetzt werden können. Bei Kinderspielzeug finden sich Weichmacher beispielsweise oft in Bällen und Puppen. Ein besonderes Gesundheitsrisiko geht von Weichmachern aus der Gruppe der Phthalate wie Di(2-ethylhexyl)phthalat (DEHP) aus. DEHP hat eine hormonähnliche Wirkung, welche die Fruchtbarkeit negativ beeinflussen kann. Schäden an ungeborenen Kindern sind ebenfalls möglich. Wegen ihres hohen Risikopotenzials wurde die Verwendung von einigen Phthalaten unter anderem in Spielzeug und Babyartikeln ab 2007 verboten. Für andere Weichmacher wurden strengere Grenzwerte erlassen. Gesundheitsrisiken drohen hier folglich vor allem bei älteren oder Second-Hand-Spielsachen. Teilweise werden aber auch noch immer neue Kunststoffspielzeuge verkauft, die geltende Grenzwerte überschreiten.3, 12 Die Aufnahme von Phthalaten kann über die Nahrung, die Haut und die Atemluft erfolgen. Da Phthalate durch Speichel gelöst werden können, besteht vor allem für Säuglinge und Kleinkinder ein erhöhtes Aufnahmerisiko, wenn mit den Weichmachern belastete Spielsachen in den Mund genommen werden.13
💡VOC (volatile organic compounds) ist ein Sammelbegriff für flüchtige organische Verbindungen. In Kinderspielzeug kommen VOCs wie Acetophenon, 2-Phenyl-2-propanol und α,α'-Dihydroxy-1,3-diisopropylbenzo verstärkt in geschäumten Kunststoffen vor. Einige VOCs gelten als gesundheitsschädlich.14 Genaue Informationen über VOCs und ihre Risiken bietet unser Ratgeber „Gefahr durch Flüchtige Organische Verbindungen (VOCs) in der Innenraumluft“.
Wie gesundheitsschädliche Stoffe in Kunststoffspielzeug erkennen?
Ob Kunststoffspielzeug mit Schadstoffen belastet ist, lässt sich sicher nur durch aufwendige Laboranalysen feststellen. Es gibt jedoch einige Hinweise, die auf Schadstoffbelastungen hindeuten können:12
❗Unangenehme chemische Gerüche können ein Zeichen für ausdünstende, schädliche Chemikalien sein.
❗Schlecht verarbeitete, billig anmutende Spielsachen mit scharfen Nähten und Kante sind mitunter ein Hinweis auf Importware ohne ausreichende Prüfung.
❗Abfärbende Oberflächen gefährden Kinder durch möglicherweise in Farben und Lacken vorhandene Schadstoffe.
❗Weiches Plastik deutet auf die Verwendung von Weichmachern hin.
❗Spielzeug aus PVC ist sehr oft mit Weichmachern belastet.
❗Älteres Spielzeug oder in Second-Hand-Läden gekauftes Spielzeug kann vor der Verabschiedung wichtiger Schadstoff-Grenzwerte produziert worden sein. Wie bereits angesprochen, traten beispielsweise strengere Grenzwert bzw. Verbote für einige Weichmacher erst 2007 in Kraft.
Checkliste: Wie Kunststoffspielzeug ohne Schadstoffe finden?
Analog zum Identifizieren von Schadstoffen in Spielzeug, ist auch schadstofffreies Spielzeug ohne Laboruntersuchungen nicht immer sicher zu erkennen. Leider kommt es ebenso immer wieder zu Fälschungen von Prüfsiegeln. Ein Indiz für solche Fälschungen kann die fehlende Nennung der Prüfstelle sein. Mit den folgenden Tipps minimieren Sie aber das Risiko, schadstoffbelastetes Spielzeug zu kaufen:15, 12
✅Eine CE-Kennzeichnung ist kein ausreichender Indikator für ausreichend auf Schadstoffe geprüftes Spielzeug. Das CE-Zeichen wird von den Herstellern selbst vergeben – ohne unabhängige Prüfung.
✅Weitaus höhere Sicherheit als das CE-Zeichen bietet ein GS-Siegel (geprüfte Sicherheit). Das staatliche Siegel wird nur nach unabhängiger Prüfung durch zum Beispiel TÜV oder VDE vergeben.
✅Der Blaue Engel ist ein Umweltsiegel mit ziemlich strengen Anforderungen, die über die europäischen Richtlinien für Spielzeuge hinaus gehen. Sind Kunststoffspielzeuge mit dem Blauen Engel ausgezeichnet, sind diese höchstwahrscheinlich frei von schädlichen Chemikalien.
✅TÜV zertifizierte Kunststoffspielzeuge wurden in der Regel auch auf die gängigsten Schadstoffe untersucht. Die Bewertungskriterien des TÜV werden allerdings nicht immer ganz transparent kommuniziert.
✅Das Spiel-gut-Siegel wird seit 2005 nur noch an Spielzeug vergeben, das kein PVC enthält. Dadurch sinkt das Risiko mit Weichmachern belastete Spielsachen zu kaufen.
✅Einige Kunststoffspielzeuge tragen den Hinweis „phthalatfrei“. Dadurch sollten zumindest keine Weichmacher auf Phthalat-Basis enthalten sein.
✅Spielzeug-Tests von Zeitschriften bzw. Organisationen wie Öko-Test oder Stiftung Warentest können eine gute Orientierung sein, wenn bei diesen auch auf Schadstoffe geprüft wurde.
Schadstoffe in Plastikspielzeug – welche kunststofffreien Alternativen gibt es?
Die Suche nach möglichst schadstofffreien Alternativen zu Kunststoffspielzeug ist oft gar nicht so einfach, da andere Spielzeug-Materialien teilweise wieder ihre eigene Schadstoffproblematik mit sich bringen. Die folgenden Infos können aber bei der Auswahl helfen:
✅Holzspielzeug sollte möglichst aus unbehandeltem Massivholz gefertigt sein. Ist das Holz lackiert, sind im Lack manchmal Schadstoffe wie Schwermetalle und Weichmacher enthalten. Achten Sie daher auf die Erfüllung der Spielzeugnorm DIN EN 71-3.12, 16
✅Unlackiertes Metallspielzeug enthält keine Weichmacher oder andere sonst möglicherweise im Lack enthaltene Schadstoffe. Dafür kann aus einigen Metallspielzeugen Nickel freigesetzt werden, welches ein starkes allergenes Potenzial hat. Metallspielzeug mit GS-Zeichen wird auf die Einhaltung von Nickel-Grenzwerten geprüft.12
✅Spielzeug aus dem Kunststoff ABS (Acrylnitril-Butadien-Styrol-Copolymer) war in Tests selten mit Schadstoffen belastet.12
Mit Luftanalysen Schadstoffe im Kinderzimmer aufspüren
Wir haben verschiedenste, speziell für Kinderzimmer entwickelte Luftanalysen im Angebot. Diese decken auch einige Schadstoffe in Kinderspielzeug ab. Ein sehr breites Analysespektrum bietet die Luftanalyse Kinderzimmer Komplett. Neben einer Analyse der Raumluft werden bei diesem Test zudem eine Staub- und Materialprobe ausgewertet. Die Materialprobe wird auf Phthalate analysiert. Zu den sonstigen Testparametern gehören unter anderem Weichmacher, Formaldehyd, Pestizide, PAKs und viele flüchtige Chemikalien (VOCs). Bei der Luftanalyse Kinderzimmer Plus werden ebenfalls Luft, Staub und Material auf Schadstoffe wie Weichmacher und VOCs untersucht. Im Gegensatz zur Luftanalyse Kinderzimmer Komplett ist hier aber keine Analyse auf schwerflüchtige Schadstoffe enthalten. Mit der Luftanalyse Kinderzimmer Standard decken Sie bereits viele Luftschadstoffe wie das krebserregende Benzol, Toluol, Aceton und Styrol ab.
✔️ über 40 Parameter
✔️ leichtflüchtige Stoffe (VOC)
✔️ Passivsammlung (Aktivkohle)
✔️ inkl. VOC
✔️ inkl. Weichmacher
✔️ leichtflüchtige Stoffe (VOC)
✔️ Moderne Pumpensammlung
✔️ über 100 Parameter
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Wussten Sie ..?
Auch Kinderkleidung kann mit Schadstoffen belastet sein. So wurden bei einer Untersuchung der Umweltschutzorganisation Greenpeace aus dem Jahr 2014 in 33 von 35 getesteten Kleidungsstücken mit Plastisol-Aufdrucken Weichmacher nachgewiesen. Weitere, in der Kleidung gefundene Schadstoffe waren per- und polyfluorierte Verbindungen (PFC) wie Perfluoroctansäure (PFOA) (gilt als krebserregend) sowie Nonylphenolethoxylate (NPE). Das NPE-Abbauprodukt Nonylphenol ist hormonell wirksam.17 Bei der Produktion und zur Konservierung während des Transports werden bei Textilien oft zahlreiche Chemikalien eingesetzt. Um zumindest einige davon zu entfernen bzw. deren Konzentration zu reduzieren, sollte Kinderkleidung (wie andere Kleidung auch) vor dem 1. Tragen gewaschen werden.18
1Vgl.: Chemie.de: Potenziell schädliche Chemikalien in Plastikspielzeug. 2021.
2Vgl.: Der Standard: Giftstoffe in Spielzeug sind ein Hindernis für Recycling. 2022.
3Vgl.: Verbraucherzentrale.de: So gefährlich ist Plastik für die Gesundheit. 2023.
4Vgl.: Umweltbundesamt: Umwelt und Kindergesundheit. 2013.
5Vgl.: Kunststoff-Deutschland: Geschichte des Kunststoffs. 2024.
6Vgl.: WirtschafsWoche: Deshalb ist Lego noch immer Marktführer. 2023.
7Vgl.: Capital: Spielzeug-Firmen wollen weg von Plastik. 2021.
8Vgl.: Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit: Blei. 2023.
9Vgl.: Bundesinstitut für Risikobewertung: Bisphenol A in Alltagsprodukten: Antworten auf häufig gestellte Fragen. 2023.
10Vgl.: BUND: Gefährliche Lieblinge, Hormoncocktail in Plüsch und Plastik macht Kinder krank. 2010.
11Vgl.: Fraunhofer-Institut für Holzforschung: Flammschutzmittel. 2023.
12Vgl.: Verbraucherzentrale.de: Spielzeug ohne Schadstoffe: Das sollten Sie beim Spielzeugkauf beachten. 2023.
13Vgl.: Umweltbundesamt: Phthalate, die nützlichen Weichmacher mit den unerwünschten Eigenschaften. 2007.
14Vgl.: Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit: Flüchtige organische Verbindungen (VOC) in Spielwaren aus geschäumtem Material. 2019.
15Vgl.: AOK: Schadstofffreies Spielzeug: Worauf sollten Eltern achten? 2023.
16Vgl.: Niedersächsisches Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit: Buntes Holzspielzeug – gesundheitlich unbedenklich? 2024.
17Vgl.: Greenpeace: Greenpeace testet Kinderkleidung von zwölf Marken aus 25 Ländern. 2014.
18Vgl.: Öko-Test: Neue Kleidung waschen: Müssen Sie Klamotten vor dem Tragen waschen? 2024.